Das Physikum. Ende des langen Vorklinik-Kapitels, Anfang des ,,richtigen‘‘ Medizinstudiums, der Klinik. Für viele eine vermeintlich unüberwindbare Hürde, die manchen schon im ersten Semester Albträume beschert.
Eine Abhandlung von Esther Lioba.
Was ist das Physikum?
Das berühmt-berüchtigte Physikum ist das erste von insgesamt drei Staatsexamina im Studiengang Humanmedizin, welches nach dem 4. Semester abgeleistet wird und somit das Ende des vorklinischen Abschnitts des Studiums darstellt.
Momentan ist es noch in einen schriftlichen und einen mündlichen Teil gesplittet, das soll sich allerdings in den nächsten Jahren laut der neuen Approbationsordnung ändern.
Im schriftlichen Teil muss man an zwei aufeinanderfolgenden Tagen sein Wissen (und vor allem auch sein Durchhaltevermögen und Stress-Resilienz) in den ,,kleinen‘‘ Fächern Biologie, Chemie und Physik mit jeweils ca. 20 Fragen beweisen, sowie in den großen Fächern Anatomie und Histologie (zusammen 80 Fragen), Physiologie, Biochemie und Psychologie/Soziologie (jeweils 60 Fragen).
Ein paar Wochen später tritt man dann zur mündlichen Prüfung an in den Fächern Anatomie, Histologie, Physiologie und Biochemie, die jeweils ca. 15-20 Minuten geprüft werden.
Wie habe ich mich auf das Physikum vorbereitet?
Ich habe glücklicherweise während der Vorklinik regelmäßig Anki-Karten und hier und da auch Zusammenfassungen (Spoiler: letzteres ist nicht zu empfehlen) zu den jeweiligen vorklinischen Prüfungsfächern geschrieben, weshalb ich zu Beginn der Lernzeit sehr gut mit Lernmaterial ausgestattet war.
Ich schreibe diese Info ganz bewusst an den Anfang dieses Beitrags. Rückblickend aus meiner und der Erfahrung meiner Freund:innen kann ich sagen, dass ein regelmäßiges Nacharbeiten und ,,Am Ball bleiben‘‘ während der Vorklinik euch eine Menge an Arbeit, Stress und Tränen ersparen wird.
Es hat nicht nur den Vorteil, dass ihr dann natürlich alles, was ihr zum Lernen für das Physikum braucht, quasi ready to go habt und nicht nachträglich noch Ankis schreiben müsst, sondern auch, dass ihr dann den Großteil des physikumrelevanten Stoffes bereits irgendwann mal gelernt habt und ihr euer Wissen lediglich entstauben und reaktivieren müsst. Und glaubt mir, das Essen aufzuwärmen geht in der Regel viel schneller, als es komplett neu zu kochen. Daher, auch wenn die Vorklinik ein wahrer ,,Pain in the Ass‘‘ sein kann: Es lohnt sich im Nachhinein wirklich ab und zu mal was zu tun 😉
Zeitmanagement
That being said: Ich habe mich an dem 60-Tage-Lernplan von ViaMedici orientiert, dessen Reihenfolge ich allerdings geändert habe, orientiert am Amboss Lernplan. So habe ich nicht erstmal XY Tage Anatomie gelernt, danach so und so viele Tage Biochemie, sondern ich habe in Themenkomplexen gelernt.
Um euch ein Beispiel zu nennen:
Zum Thema Brustsitus habe ich dann an aufeinanderfolgenden Tagen die Anatomie dazu wiederholt (Herz, Lunge, Mediastinum), sowie das Thema Atmung und Säure-Basen-Haushalt im Fach Physiologie.
So gelang es mir, endlich die Verknüpfung der einzelnen Fächer zu erreichen und das Puzzle der Vorklinik etwas zu vervollständigen.
Da ich im Regelstudiengang studiere, haben wir vorher stark fächerorientiert gelernt, und da hat mir besagte Verknüpfung manchmal sehr gefehlt.
Jetzt, am Ende der Vorklinik, hatte ich endlich meinen ganzen Werkzeugkasten so voll mit Wissen, dass mir die Verbindung der einzelnen Themen und Fächer nicht mehr schwer fiel. Es war schon etwas aufwendig, diesen Lernplan so stark umzuschreiben, aber es hat sich gelohnt!
Falls ihr diese Art von selbstgebasteltem Lernplan auch ausprobieren wollt, so findet ihr auf meinem Youtube-Kanal ein Video zu meinem Lernplan inklusive Link zu meinem Notiontemplate (Ich habe meinen Lernplan auf Notion erstellt), was ihr kostenlos downloaden könnt.
Freie Tage
Was ich außerdem geändert habe, war die Zahl der freien Tage, denn 60 Tage komplett Vollgas zu geben, ist doch recht unrealistisch und wahrscheinlich auch nicht gesund. Daher habe ich mir nach jedem 6.-7. Tag mindestens einen komplett freien Tag eingeplant. Das hat den Lernplan dann natürlich verlängert, sodass ich am Ende bei ca. 72 Tagen bis zum schriftlichen Examen gelandet bin.
Auch das kann ich euch nur empfehlen, da man in einer solch intensiven Zeit unbedingt Raum für Regeneration braucht. Niemand kann über 60 Tage hinweg eine Höchstleistung aufrechterhalten. Manchmal sind Pausen tatsächlich produktiver, als wenn man sich übermüdet und gestresst zu einem weiteren Lerntag zwingen muss.
So klischeehaft es klingt: Versucht unbedingt eine Art Work-Life-Balance in euren Lernalltag zu integrieren. Vernachlässigt eure Hobbies nicht, versucht euch regelmäßig zu bewegen, geht raus an die frische Luft und plant kleine Belohnungen hier und da ein.
Das Physikum ist kein Sprint, sondern ein Marathon. Und für solch einen Marathon braucht man eben auch Treibstoff.
Lernmaterialien
Explizit gelernt habe ich zum einen mit meinen vorgefertigten Ankis aus den letzten Semestern, Physikumsaltfragen (Ganz wichtig!! Gewöhnt euch frühzeitig an das viele Kreuzen!), SmartMedix Karteikarten, Lecturio und Kenhub Videos, den Physiologie Hilfsskripten und ab und zu habe ich dann bei besonders kniffligen Themen den ein oder anderen Blick in ein Lehrbuch geworfen.
Außerdem hat es mir besonders für das mündliche Physikum extrem geholfen den Stoff mit Freunden durchzusprechen. So übt man nicht nur das Reden (was ja in einer mündlichen Prüfung essentiell ist), sondern man erfährt dann auch immer mal wieder random facts, die man noch nicht wusste, weil dann doch jeder ein bisschen anders lernt.
Zudem hat es mir psychisch auch echt viel Halt gegeben. Einfach weil man das Gefühl hatte, nicht alleine zu sein und dass da jemand ist, der im selben Boot sitzt wie man selbst.
Daher: Tut euch zusammen, lernt von und miteinander, gebt euch Halt und Feedback. Das wird euch diese Zeit immens erleichtern.
Let’s get personal
So, das war’s erstmal mit dem formalen Kram, den man auch auf jeder beliebigen Medizinwebsite nachlesen kann. Was doch wirklich spannend ist und für viele die eigentliche Herausforderung darstellt, ist die Frage:
Wie geht man mit all dem Stress und dem Leistungsdruck um, der auf einem lastet?
Deshalb möchte ich euch gerne etwas von meinen eigenen Erfahrung erzählen.
60 Tage bis zum Physikum
Zu Beginn der Lernphase war ich tatsächlich recht positiv gestimmt: Ich kam gerade aus einem wirklich anstrengenden Semester mit extrem viel anwesenheitspflichtigen Kursen, in dem ich das Gefühl hatte, dass mein Leben nicht wirklich selbstbestimmt war, sondern vor allem die Uni und mein strammer Stundenplan den Takt angegeben hat.
Daher war ich sehr erleichtert, als ich, nachdem ich scheinfrei war und meine letzte Prüfung vor dem Physikum hinter mich gebracht hatte, endlich die Möglichkeit hatte, meinen Alltag so zu gestalten, wie ich das gerne möchte.
Ich konnte entscheiden wann ich lerne, wie ich lerne, was ich lerne, wann ich Pause mache. Das hat mir damals ein Freiheitsgefühl gegeben, was ich ziemlich genossen habe und infolgedessen habe ich tatsächlich auch den Lernstoff mehr genossen. Ich hatte das Gefühl, es freiwillig und ohne Zwang zu machen (Stichwort Reaktanz-Minimierung, an alle meine Psychologie-Interessierten).
Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei…so auch mein Freiheitsgefühl und meine Motivation.
60 Tage sind doch eine echt lange Zeit und nachdem ich dann realisiert habe, wie wenig ich noch von dem Stoff, den ich vor 2 Wochen wiederholt habe, erinnern konnte, fing dann doch die Panik langsam, aber sicher an zu kicken.
Das Problem mit der Zeit…
Vor allem Biochemie stellte sich für mich als echte Herausforderung dar. Ich habe bis heute keine Ahnung, welcher Supermensch sich damals beim Schreiben des ViaMedici-Lernplans gedacht hat es sei eine gute Idee den Citratzyklus, die komplette Atmungskette, den Aufbau diverser Lipide plus die Lipolyse und die β-Oxidation an einem einzigen Tag zu lernen.
Ich war dann also damit beschäftigt auf der einen Seite die bereits vergessenen Inhalte zu wiederholen. Aber auf der anderen Seite kam ich noch nicht mal mit meinem eigentlichen Lernpaket für den jeweiligen Tag klar.
Und so saß ich dann da, zwar mit tausenden Ankikarten, Lernplattformen, Lehrbüchern – aber ohne eine wirklich essentielle Sache: Zeit.
Es war einfach zu wenig Zeit.
Ich muss zugeben, dass ich in den vergangenen Semestern doch recht hohe Ansprüche an mich selbst hatte. Ich habe stets versucht die meisten Inhalte so gewissenhaft und gründlich wie möglich zu lernen, aber das war im Physikum schlichtweg nicht möglich. Und es hat einige Zeit, Tränen, Phasen des Bluthochdrucks und der Panik gedauert, bis ich mich damit abfinden konnte.
Der eigentliche Sinn des Physikums
Es ist einfach nicht möglich alles zu wissen. Man kann nicht jedes Thema so wiederholen, wie man das gerne würde, sonst würde ich wahrscheinlich jetzt noch dransitzen. Es hilft auch, sich ab und zu vor Augen zu führen, was (meiner Meinung nach) der eigentliche Sinn und Zweck dieser Prüfung ist:
Nicht etwa euer Wissen, denn – let’s be honest – niemand kann 8 Fächer auf einmal perfekt parat haben – sondern euer Durchhaltevermögen.
Eure Fähigkeit, euch dem Stress zu widersetzen und trotz Frustration wieder aufzustehen und weiterzumachen. Der eiserne Wille, sich jeden Tag auf’s neue auf seinen Allerwertesten zu setzen und Stoff zu lernen, den ihr wahrscheinlich zu 70-80% so nie wieder brauchen werdet. Wer das kann, der schafft auch das Physikum. Dazu müsst ihr weder überdurchschnittlich intelligent sein, noch ein fotografisches Gedächtnis haben.
Als mir das bewusst geworden ist, ging’s mir auch schon viel besser. Ich bin dann nach meinem ersten Tief zunehmend mutiger geworden, auch mal Sachen wegzulassen, Prioritäten zu setzen und andere Lernmethoden auszuprobieren, die ich so noch nie probiert hatte.
Damit bin ich dann einige Zeit ganz gut gefahren. Dann sind allerdings ein paar Sachen in meinem Privatleben passiert, die ich so nie öffentlich angesprochen habe oder werde, die mir allerdings die letzten Züge der Lernphase extrem erschwert haben.
Eine Woche bis zum Physikum
In der letzten Woche vor dem schriftlichen Physikum ging es mir dann tatsächlich so schlecht, dass ich mich erinnere, im Präpsaal gestanden zu haben und nicht einmal die einfachsten Oberarmmuskeln wiedererkennen konnte. Auch das kann passieren. Auch wenn die ,,Macher‘‘ der Medizinstudiums es nicht gerne hören: Das Leben macht vor gar nichts Halt, auch nicht vor einem Medizinstudium oder einem Staatsexamen.
In solchen Momenten fühlt sich der Kopf wie leergefegt an. Man kann sich nur schlecht länger als 10 Minuten konzentrieren, weil man in Gedanken einfach ganz woanders ist. Zumindest habe ich mich so gefühlt. Dass man da nicht seine gewohnte Leistung aufrechterhalten kann, ist irgendwo verständlich.
Einen kurzen Moment lang habe ich sogar überlegt, das Physikum zu schieben und im nächsten Semester zu schreiben. (Was by the way auch vollkommen okay ist! Eure mentale Gesundheit geht immer vor.)
Allerdings war ich mittlerweile in der allerletzten Woche angelangt. Und da konnte und wollte ich es einfach nicht auf den letzten Metern hinschmeißen. Rückblickend kann ich euch ehrlich nicht sagen, wie ich das geschafft habe, es grenzt wirklich an ein Wunder für mich.
Schriftliches Physikum
Ich glaube, der ausschlaggebende Faktor waren tatsächlich meine Freunde und Familie. Insbesondere meine beste Freundin Maxi, die in dieser Woche wirklich Tag und Nacht bei mir war und mich da irgendwie durchgelotst hat. Heute kann ich euch sagen: Es war für mich der größte Kraftakt, den ich jemals aufbringen musste.
Ein paar Tage vorher habe ich es dann irgendwie geschafft, all meinen Fokus zu sammeln und auf diese verdammte Prüfung zu richten.
Erster Prüfungstag
Am ersten Tag der schriftlichen Prüfung bin ich eigentlich, den Umständen entsprechend, recht zuversichtlich hingegangen. Ich hatte 72 Tage hinter mir, in denen ich alles gegeben habe, was mir irgendwie möglich war.
Das muss doch irgendwie reichen, zumindest für ein Bestehen.
Am ersten Tag wurden die Fächer Chemie, Biochemie, Physik und Physiologie geprüft. Needless to say hatte ich vor diesem Tag am meisten Angst, da ich echt nicht die hellste Leuchte auf dem Naturwissenschafts-Kuchen bin. Leider nicht ganz unberechtigt.
Biochemie war…. Ich weiß gar nicht wie ich es beschreiben soll, mir fehlen da immer noch die Worte. Es war auf jeden Fall nicht gut. Es war tatsächlich so schlecht, dass ich nachher aus der Prüfung rausgegangen bin und felsenfest überzeugt war, dass ich gerade die gesamte Prüfung in den Sand gesetzt hatte.
Glücklicherweise war ich nicht die einzige damit, ich würde sagen 99% meiner Kommiliton:innen fühlten sich genauso. Mein Nachmittag bestand dann daraus, mich endlos über diese blöden Fragen aufzuregen und meinem Ärger Luft zu machen. Ich fühlte mich, als wäre all die Arbeit umsonst gewesen.
Wann erfahre ich meine Prüfungsergebnis?
Man hat die Möglichkeit, sein Heft mit den Fragen mit nach Hause zu nehmen, damit man seine Antworten nur ein paar Stunden nach Ende des Examens z.B. bei Medilearn eingeben kann, um nachzuschauen, ob man theoretisch den Tag bestanden hätte. (Da gibt es Experten, die Musterlösungen hochladen. Angaben aber natürlich ohne Gewähr.)
Eigentlich hatte ich mir ganz fest vorgenommen, mein Ergebnis erst nach dem zweiten Tag nachzugucken. Aber ich war in dem Moment so panisch, dass ich es einfach wissen musste. Also half Maxi mir dabei, meine Antworten einzugeben und abzugleichen und mit jeder Antwort, die falsch war, sank meine Hoffnung immer mehr. Bis wir dann letztendlich zum Physiologie-Teil kamen.
Let me tell you: Physio hat mir den Arsch gerettet an dem Tag und mich aus dem Biochemie-Sumpf regelrecht rausgezogen. Nachdem ich dann also erfahren hatte, dass ich den ersten Tag bestanden hätte, wenn auch nicht gut, habe ich mich ein wenig übermotiviert an Anatomie (insb. Embryologie lol) und Psychologie/Soziologie rangesetzt. Die zwei Fächer waren DIE Chance für mich, das alles noch hochzuziehen.
Obwohl ich an diesem Punkt sowieso keinen Anspruch mehr an dieses Examen hatte, außer es bitte bitte zu bestehen. Egal mit welcher Note.
Irgendwann hat mein Kopf dann aber so geraucht von dem vierstündigen Examen, der ganzen Aufregung und Frustration und den Lernstunden danach, dass ich mich einfach ins Bett begeben habe, um aus dem nächsten Tag alles rauszuholen, was nur irgendwie geht. Und der Plan ging auf.
Zweiter Prüfungstag
Der zweite Tag lief um Welten besser als der erste, das merkte ich schon während der Prüfung. Trotzdem war der Moment, in dem ich mein vorläufiges Ergebnis auf Medilearn nachgeschaut habe, einer der belohnendsten Momente der letzten Wochen und Monate. Das schriftliche Examen war also abgehakt, und noch viel wichtiger: Nie wieder Chemie und Physik! Das war für mich fast noch mehr ein Grund zu feiern :‘)
Zwischen schriftlichem und mündlichem Physikum
Die Feierlaune war leider nur von kurzer Dauer: Mir blieben lediglich 9 Tage zwischen dem schriftlichen und dem mündlichen Physikum. Und wenn ihr dachtet, dass mein Erfahrungsbericht bisher schon stressig genug klang, dann schnallt euch an, denn diese Woche toppte alles, was ich bisher an Stress, Lernmasse und Panik erlebt hatte.
Diejenigen von euch, die mir auf Youtube folgen, wissen, dass ich eine große Verfechterin von regelmäßigen Pausen bin und Lerntage, die die 8 Stunden überschreiten, GAR nicht gutheiße!
Leider konnte ich in der Woche meinen eigenen Prinzipien nicht treu bleiben. Nicht, weil ich es sonst nicht gepackt hätte (im Gegenteil, ich glaube ein bisschen mehr Pausen hätten mir ganz gut getan), sondern weil ich einfach so eine scheiß Angst hatte.
Ich bin generell immer überdurchschnittlich mehr nervös bei mündlichen Prüfungen als bei schriftlichen und jetzt hatte ich eine mündliche Prüfung vor mir, die nicht 5-10 Minuten gehen würde, wie meine bisherigen mündlichen Testate, sondern 15-20 Minuten pro FACH, also an die 60 Minuten insgesamt. Absoluter Horror.
Meine Tage bestanden aus ungelogen 12-13 Stunden lernen (Kids, do not try this at home please!!), einem immer schlimmer werdenden Kloß im Bauch und ernährt habe ich mich basically von Tee und Brot :‘) Und keep in mind, das Ereignis aus meinem Privatleben spukte natürlich auch noch genauso in meinem Kopf herum, wie vor dem schriftlichen Physikum.
Kurzum: Es ging mir echt mega scheiße. Das kann ich einfach nicht schönreden.
Panik vor der mündlichen Prüfung – Was hilft dagegen?
Ich wünschte wirklich, ich könnte euch einen Zaubertrick verraten, wie man es besser machen kann und nicht dieser riesigen Panik verfallen kann, aber ich weiß es leider nicht.
An dem Punkt ist man einfach nur noch müde, man kann den Stoff nicht mehr sehen, es hängt einem alles zum Hals raus und man will es nur noch hinter sich bringen.
Was durchaus helfen kann, ist, sich zu vergegenwärtigen, dass es sich hier literally nur um eine Prüfung handelt – es geht nicht um Leben und Tod, es geht nicht um Krankheit oder um sonstige Dinge, die wirklich gravierende Folgen für euer Leben mit sich ziehen können.
Was wäre das Schlimmste, was passieren kann? Ihr fallt durch und müsst es im nächsten Semester wiederholen.
Und wenn man tatsächlich durchfallen sollte?
Keine Frage, das wäre extrem scheiße, vor allem nach der ganzen Arbeit, die man sich gemacht hat. Aber auch das wird man durchstehen, auch dafür wird man eine Lösung finden.
Ich kenne selbst Menschen in meinem direkten Umfeld, die leider durchgefallen sind, und auch wenn das definitiv keine schöne Erfahrung war, so haben sie doch einen Weg gefunden damit umzugehen.
Ich würde sogar mich so weit aus dem Fenster lehnen und behaupten, dass diese Menschen dadurch wieder Freude an anderen Dingen außerhalb des Studiums finden konnten, für die die letzten Semester viel zu wenig Zeit da war, und dass sie insgesamt einfach einiges an Reife dazugewonnen haben durch diese Erfahrung.
Und ganz wichtig: Seid gut zu euch selbst. Oftmals gibt es keinen größeren Kritiker außer euch selbst und auch ich neige dazu, mich viel zu sehr runterzumachen. Behandelt euch selbst wie ihr eure beste Freundin behandeln würdet.
Wenn ihr das alles wirklich verinnerlicht, dann glaube ich fest daran, dass man das mündliche Physikum auch anders bestreiten kann, als ich es getan habe.
Mündliches Physikum
Zurück zu meinem Desaster: Als ich am Tag der mündlichen Prüfung aufgewacht bin, habe ich echt gedacht, ich muss gleich sterben. Es fühlte sich an, als wäre mein ganzes Leben auf diesen einen Moment zugesteuert.
Das klingt alles so unfassbar übertrieben, und das ist es auch total, aber genauso fühlte ich mich an diesem Morgen.
Ich habe gerade mal eine halbe Scheibe Brot runtergewürgt bekommen, welche ich dann fast wieder ausgekotzt habe, weil mir so dermaßen schlecht war.
Maxi hat mich zum Prüfungsort gefahren und ich musste mich mit aller Kraft zurückhalten, nicht einfach wegzurennen (Stichwort: Sympathikusaktivierung, Fight or Flight you know? Und ich war definitiv Team Flight in dem Moment).
Prüfungsablauf
Die Prüfung begann traditionsgemäß mit dem Fach Anatomie, genaugenommen Histologie und ich sehe es wirklich noch vor meinem geistigen Auge, wie stark meine Hände gezittert haben, als ich fahrig versuchte, den Objektträger unter meinem Mikroskop anzubringen.
Ich brauchte dann auch einige Zeit um reinzukommen, vor allem auch weil in meinem Mund gefühlt kein einziger Mikroliter Spucke mehr war. Nach einiger Zeit (und dank meines wirklich lieben Anatomieprüfers) klang die Aufregung dann aber glücklicherweise ein wenig ab.
Vor jeder einzelnen der drei Prüfungen überkam mich dann kurz wieder ein Aufregungsschwall, aber sobald ich ein bisschen losgeredet hatte, ging es schon deutlich besser.
Insgesamt lief die Prüfung wirklich ganz in Ordnung ab, insbesondere mein Physiologieprüfer hat uns drei Prüflinge wirklich fantastisch durch die Prüfung gelotst, und da hatte ich auch tatsächlich das Gefühl, eher in einer Art ,,Fachgespräch‘‘ zu sein, als in einer Prüfung.
Nach der Prüfung wurden wir dann kurz rausgeschickt, damit die Prüfer:innen sich besprechen konnten, und als wir wieder reinkamen und die Worte ,,Sie haben alle drei bestanden‘‘ fielen, hörte, sah und merkte ich gar nichts anderes mehr, außer die Arme meiner Freundin Alice (mit der ich zusammen geprüft wurde), in denen ich dann lag.
Wir waren so am Jubeln, dass ich noch nicht mal meine Note mitbekommen habe, nach der ich dann peinlicherweise am Ende nochmal fragen musste :‘)
Das Gefühl nach der Prüfung
Leute, es war echt einer der geilsten Momente meines Lebens.
Ja, es ist nur eine Prüfung. Ja, es ging nicht um Leben und Tod. Aber hinter uns lagen nun zwei lange Jahre, in denen wir geackert und geackert haben, in denen wir uns immer wieder beweisen mussten, und dann die letzten drei Monate, die so intensiv und nervenaufreibend waren, wie fast keine andere Zeit in meinem Leben zuvor.
Und zu hören, dass all die Arbeit sich endlich gelohnt und ausgezahlt hatte, dass es alles gereicht hat, dass ich trotz erheblichen personal issues in meinem Privatleben diese Prüfung irgendwie bestanden hatte, das war einfach eins der tollsten Gefühle seit langem.
Ich glaube, ich werde mich für den Rest meines Lebens an diesen Moment erinnern und irgendwie hatte er auch etwas unglaublich Empowerendes:
Das Gefühl, dass man mit seinem eigenen Fleiß, mit seinem Durchhaltevermögen, mit seiner Resilienz, mit seinem eigenen Gehirn so etwas ganz alleine geschafft hat und dass sich harte Arbeit (in den allermeisten Fällen) am Ende wirklich auszahlt.
Danach fühlt man sich wirklich so, als könne man jetzt alles schaffen. Und auch wenn sich das ein bisschen nach ,,World Domination’‘ anhört: Es gibt einem einfach ein ganz anderes Lebensgefühl und Selbstvertrauen für den Rest des Studiums, aber auch für den Arztberuf später. Allein dafür hat sich das alles gelohnt.
Wie geht es jetzt weiter?
Jetzt heißt es für mich seit einigen Wochen: Hallo Klinik! Und bisher kann ich bestätigen, was alle immer sagen: In der Klinik wird alles besser.
Ich habe eine ganz neue Gelassenheit in mir gefunden, ich habe meine Begeisterung und Faszination für dieses tolle Fach wiederentdeckt und vor allem habe ich meine Work-Life-Balance zurück.
Ich habe wieder mit dem Jazz-Dance angefangen, gehe regelmäßig ins Fitnessstudio und möchte mich wieder mehr der Musik widmen.
Auch wenn der Stoff nicht unbedingt weniger geworden ist, so ist die Atmosphäre und v.a. auch meine innere Einstellung doch eine ganz andere. Ich bin wahnsinnig gespannt auf das, was noch kommt und ich freue mich einfach jeden Tag, hier sein zu dürfen. Und das wünsche ich mir für jede und jeden Einzelne/n von euch!
Also: Haltet durch. Das Physikum und die Vorklinik allgemein kann schon mal eine Durststrecke sein. Aber wenn ich und tausende andere Menschen das vor euch schaffen konnten, mit all den Hindernissen, die dem ein oder anderen vielleicht in den Weg gestellt wurden, warum solltest du, ja genau DU, der/die das gerade liest, es nicht schaffen?
Also get your sh*t together und rockt das Ding!
Ich glaube an euch.
Much love,
Eure Esther
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